Übersetzung eines Artikels der englischen Menschenrechtsanwältin Sara Whyatt vom 8. Juni 2015, Originalartikel bei artsfreedom.org.
Türkei: Künstler unter Druck – ein Jahr voll von Prozessen und Strafen
Gestern gingen die Wähler der Türkei an die Wahlurnen, um ihre Stimme für die 7. Juni-Wahl abzugeben. Als sich der Wahltag näherte, lagen versteckte und offene Drohungen an die Medien, in der Luft. Das war nicht ganz unerwartet, da die schlechte Bilanz der Türkei in Bezug auf das Recht auf freie Meinungsäußerung bekannt ist. Weniger bekannt ist, dass auch Künstler von Schikanen und Zensur betroffen sind. Genau wie Journalisten werden sie verhaftet, bedroht, von ihren Arbeitsplätzen entlassen und ihre Arbeit wird verboten. Auch mit anderen Formen von Zensur sind sie konfrontiert, als da sind politisch motivierte Verweigerung von Film-Zertifizierungen und Verhinderung der Finanzierung. […]
Musiker als Terroristen
[…] Im Dezember 2014 ging eine junge kurdische Sängerin, Nûdem Durak, ins Gefängnis, um eine schwere 10,5-jährige Strafe nach dem Anti-Terror-Gesetz anzutreten. Sie war eine von tausenden von kurdischen Aktivisten und Unterstützern, die zwischen 2009 und 2011 im so genannten KCK-Fall (Koma Civakên Kurdistan = Union der Gemeinschaften Kurdistans) verhaftet wurden. Die KCK ist im Jahr 2005 von der PKK (Partiya Karkerên Kurdistan = Kurdische Arbeiterpartei) mit dem Ziel gegründet worden, ein eigenes politisches System in der kurdischen Region Südosttürkei aufzubauen. Die KCK-Prozesse betrafen kurdische und türkische Zivilisten mit pro-kurdischen Sympathien, obwohl viele von ihnen jeglichen Kontakt mit der PKK bestritten haben.
Durak selbst wurde im März 2010 verhaftet. Sie verbrachte sieben Monate im Gefängnis, bevor sie bis zur Verhandlung freigelassen wurde. Diese endete vier Jahre später, im Dezember 2014, mit ihrer Rückkehr ins Gefängnis. Es kann sein, dass sie für die nächsten zehn Jahre dort bleiben muss. Nach ihrem Anwalt sind die einzigen Beweise gegen sie Treffen und Workshops, an denen sie teilnahm, von denen keiner als Teilnahme an Gewalttaten interpretiert werden kann. Ihr Fall ähnelt den Fällen von anderen KCK-Angeklagten und hat Gruppen wie Amnesty International und Human Rights Watch völlig zu Recht zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass viele der Häftlinge politische Gefangene sind. […]