Die britische Menschenrechts-Expertin Sara Whyatt hat langjährige Erfahrungen in der Solidaritätsarbeit für politisch verfolgte Künstler. Sie hat unter anderem für PEN Interantional, Amnesty International und für Freemuse gearbeitet. Sara Whyatt hat den Fall Nudem Durak intensiv analysiert.
Der Anwalt von Nudem Durak ist Rojhat Dilsiz aus Şırnak.
Rojhat Dilsiz hat Sara Whyatt das Anklageprotokoll und das 116-seitige Urteil auf Türkisch zur Verfügung gestellt. Im Auftrag von Sara Whyatt haben türkische Menschenrechtsexperten beide Dokumente durchgesehen und die Nudem betreffenden Passagen herausgehoben, übersetzt und zusammengefasst.
Nudem Durak wurde gemeinsam mit etwa 15 anderen Personen vor Gericht gestellt. Da es sich um eine Gemeinschaftsanklage handelt, sind die Bezüge zu ihr auf vielen der 116 Urteils-Seiten mit Kommentaren zu den anderen Angeklagten vermischt.
Die Anschuldigungen gegen sie sind:
- Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen in Cizre zwischen Dezember 2009 und 2010
- Teilnahme an PKK-Propaganda- und Rekrutierungstreffen im Mem U Zin Kulturzentrum
- Beteiligung an der Rekrutierung junger Menschen als PKK-Kämpfer („Guerillas“)
Offenbar stammen die meisten – wenn nicht alle – Beweise lediglich aus Telefonprotokollen und Berichten geheimer Zeugen, die behaupten, bei den Treffen im Kulturzentrum dabeigewesen zu sein.
Das Fazit von Sara Whyatt ist, dass das Gerichtsverfahren u. a. die folgenden unfairen Aspekte hatte:
- Gebrauch geheimer Zeugen
- Fehlende konkrete Beweise für eine tatsächliche Beteiligung an gewalttätigen Aktivitäten
Sara Whyatt ist der Ansicht, dass das Urteil überhart ist. Sie vermutet, dass Nudems Popularität als junge Musikerin bei der Härte des Urteils eine Rolle gespielt haben kann. Sara Whyatt bezieht sich dabei auf die Verurteilung zu „nur“ 10½ Jahren Gefängnis. Die Erweiterung auf 19 Jahre Gefängnis war ihr zum Zeitpunkt ihrer Stellungnahme noch gar nicht bekannt.
Abschließend sei angemerkt, dass die Verhaftung von Nudem Durak Teil einer größeren Operation war, die als KCK-Fall bekannt ist. Dabei wurden zwischen 2009 und 2011 Tausende – hauptsächlich Kurden und ihre Unterstützer – aufgrund von Anti-Terror-Gesetzen verhaftet. Diese Verfahren und speziell die zugrundeliegenden Anti-Terror-Gesetze sind von der EU stark kritisiert worden.